Unternehmen geben sich den menschlichen Anstrich
Der deutschen Führungselite wird von geschäftstüchtigen Beratern die neue Humanwelle verkauft. Es geht um Werte, Ethik, Achtung, Wertschätzung & Co. Damit das Ganze auch glaubhaft wirkt, nimmt an Inhouse Seminaren sogar die oberste Geschäftsleitung teil. Der Seminarleiter hat vorher mit den Bossen der Firma ein Konzept erarbeitet, wie den Mitarbeitern „bis runter zum Pförtner“ der neue Kodex der Mitmenschlichkeit verkauft werden soll. Engagiert zeigt sich die Führung im Kreise ihrer Abteilungsleiter, diese auf die Zukunft ausgerichtete neue Führungs“Methodik“ mit zu leben. Der Begriff vom Vorleben macht die Runde. Zur äußerlichen Dokumentation erhält jedes Firmenmitglied den Extrakt des Seminares in Form einer Ethikrichtlinie für Fa. A, B, oder C…. mit dem nächsten Gehaltszettel auch noch mit einem entsprechenden Schreiben der Geschäftsleitung. War´s das dann auch schon???
Zwischen Absichtserklärung und Umsetzung liegt das Tun in Unternehmen:
Noch euphorisiert von dem „spannenden“ Seminar gehen die Abteilungsleiter in ihre Abteilungen und geben Kunde von der neuen Richtlinie, zukünftig nun menschlicher, wertschätzender, einfach vorbildlicher mit einander umzugehen. Schön wäre es, wenn diese Euphorie länger anhalten würde als das Mindesthaltbarkeitsdatum der für die Mittagspause mitgebrachten Joghurt. Der Alltag lehrt uns Coaches leider immer wieder, dass die neue Ethik-, Werte-, ….Firmenphilosophie, oder wie auch immer der neue „Eye-catcher“ sich schimpfen mag, nicht lange Bestand hat. Die fachlich hoch potenziellen Experten haben leider das Führen von Menschen nicht gelernt. Die Wenigsten haben ein Talent zu führen. Viele von ihnen haben sogar jede Menge Angst, Fehler beim Führen zu machen und reagieren statt zu agieren. Die Ergebnisse moderner Führung lassen leider nicht allzu viel Gutes ahnen. Krankenstände sind zu hoch, Fluktuationen bedrohlich hoch, Umfragen zu Motivation und Führungsverhalten der Unternehmensleitung werden am besten gar nicht erst veröffentlicht. Es wird „geholzt“ nach alter Väter Sitte. Es wird denunziert, erpresst, gedroht und „Leute entlassen auf Teufel komm raus“, nur weil den Bossen die Nase nicht passt oder Fehler passieren, die ihren Ursprung in der meist unklaren oder unsteten Ansage des Führungspersonals haben. Übertrieben!!??? Nein, leider Alltag in Deutschland.
Unternehmen müssen umdenken, bevor die Chefs demnächst die Arbeit alleine verrichten:
Der Markt hat sich lange schon gedreht. Mitarbeiter suchen sich ihre Unternehmen selbst, die, von denen sie glauben, dass sie dort freundlich, wertschätzend, vertrauens- und verständnisvoll behandelt werden. Wie soll auch der Ansporn zu Höchstleistung auf Dauer gewährleistet werden, wenn der Mitarbeiter bis in die Führungsspitze ständig „nur eine aufs Dach“ bekommt? Noch haben wir in Unternehmen Land auf Land ab Fachkräftemangel. So steht es in allen Gazetten. Ab 2020, wenn alle Führungskräfte der Jahrgänge 1955 plus in Ruhestand gehen, kommt eine dramatische Welle von Führungskräftemangel auf die deutschen Betriebe zu. Es werden die überleben, die sich beizeiten durch faires, klares, Werte orientiertes Handeln ihre Belegschaft sichern und diese mit viel Verständnis und Vertrauen führen. Allen alten Hardlinern stehen wirklich stürmische Zeiten ins Haus.
www.gwm-coaching.de
Georg-W.Moeller, 3. November 2016