Führungskräfte, aber auch „der einfache Mitarbeiter“, genießen bei der Geschäftsführung einen (hoffentlich) hohen Stellenwert. Sie sind treu, fleißig, innovativ, kreativ, umsichtig. Die Frage bisweilen: Für wen? Hat das Unternehmen ein Problem mit Werkspionage?
Werkspionage ist ein eigener Markt.
Milliardenschäden werden im Kleinen wie im Großen jährlich in deutschen Betrieben durch Daten- und Know-How-Klau verursacht. Der Bedarf des externen Auftraggebers, Werkspionage durch langjährige Mitarbeiter des observierten Betriebes betreiben zu lassen, kennt keine Grenzen. Kundenlisten, Auftrags-, Lagerbestände, Meetingprotokolle, Korrespondenz, geheime Verträge, Entwicklungsstudien, Produktdetails stehen auf dem Speisezettel interessierter Konkurrenten, Neider, Schlepper, Nepper, Bauernfänger.
Führungskräfte sind begehrte Agenten.
Der Auftraggeber muss schon ganz schön dreist sein, an eine Führungskraft des ausgespähten Unternehmens heranzutreten, um ihn für die Erfüllung seiner Werkspionage zu gewinnen. Die Gefahr ist beträchtlich, dass der angesprochene Mitarbeiter des Unternehmens sich offen für seine Agententätigkeit zeigt, Informationen des Auftraggebers sammelt und damit zu seiner eigenen Geschäftsleitung geht, um den Spionageakt auffliegen zu lassen. Macht er das? Nein! Der Auftraggeber observiert das Objekt seiner Begierde intensiv und hält nach auf- und anfälligen Führungskräften Ausschau. Am Stammtisch, beim Tennis, bei kritischen Äußerungen zum Unternehmen oder gar öffentlich geäußerten Abwanderungsgedanken lassen sich ideale Agenten am besten ausgucken und ansprechen. Es sind eben nicht unbedingt die Looser des Unternehmens, die ohnehin keinen Zugriff auf interessantes Material haben. Es sind die einflussreichen, die orientierten, die ehrgeizigen Menschen, die sich in irgendeiner Form durch schuldiges Verhalten interessant gemacht haben. Freundliche Anwerbung bis hin zur harten Erpressung sind die Wurzeln für die Einwilligung von Mitarbeitern und Führungskräften, Spionagedienste zu leisten. Vielleicht ist es eine Schuldenkrise im Privaten, ein Fehlverhalten gegenüber einem Kunden oder Mitarbeiter, ein sexueller Übergriff, der den Werkspion gefügig macht. Meist beginnt die Werkspionage mit einem kleineren Übungsdelikt, um den Aspiranten auf seine Verlässlichkeit zu prüfen und um ihn auf größere Zukunftsprojekte einzunorden.
Führungskräfte sind gut beraten, aktiv zu führen, und nicht, sich ver-führen zu lassen.
Jeder ist verletzlich. Jeder hat eine schwache Minute. Bei jedem lässt sich eine günstige Gelegenheit erarbeiten, wann und wie der Auftraggeber einen Schwankenden zur Mitarbeit bei der Werkspionage verführen kann. Dh. keiner ist vor einer möglichen Versuchung gefeit. Das müssen insbesondere auch Geschäftsführer, Vorstände und Unternehmer und andere Verantwortung tragende Führungskräfte wissen. Sollte dennoch eine Verwicklung in eine Werkspionage erfolgreich verlaufen sein, gilt es, sich der Angst, der Scham des Spions, erwischt zu werden, bewusst zu sein. Es regiert die Angst vor Strafe, vor Gesichts- und Imageverlust. Das schlechte Gewissen treibt den Spion immer tiefer in die Misere. Guter Rat ist teuer, aber wichtig.
Hilfe zur Selbsthilfe, auch für Führungskräfte.
Was ist nun zu tun? Am besten stellt sich der Spion so bald als möglich seiner Geschäftsleitung, seinem Vorgesetzten und beichtet die Misere. Offen, schonungs- und lückenlos. Diese Hilfe zur Selbsthilfe gehört jedoch zur absoluten Ausnahme. Zu groß ist das Kräftespiel der Gefühle des Betroffenen, die Hoffnung, vielleicht doch noch irgendwie mit einem blauen Auge aus der Situation herauszukommen. Daher ist die permanente Wachsamkeit des gesamten Teams, der gesamten Belegschaft des Unternehmens gefragt. Der Portier an der Werksschranke muss genauso seine Sinnesorgane für dieses sensible Thema öffnen wie auch die gesamte Führungsmannschaft. Fatal wäre, wenn eine falsch verstandene Rücksichtnahme durch Kungelei, gut gemeinter Kameradschaft etc. die Offenlegung verzögern oder verschleiern würde. Werkspionage ist ein krimineller Akt und gehört zur Anzeige gebracht. Sofort. Betriebsintern ist die Führungskraft, der Mitarbeiter, der Entdecker der Spionage aufgefordert, sofort wie bei Ausbruch eines Feuers Meldung zu machen. Die Firmenleitung sollte auch nicht zögern, sofort die Polizei einzuschalten. Es ist unbedingt Eile und Sorgfalt geboten.
Der Schutz durch Aufklärung dient dem Betrieb und der Führungskraft
Sicher ist bitter, einen langjährigen, treuen Mitarbeiter, egal aus welcher Hierarchiestufe, plötzlich und völlig unerwartet am Pranger stehen zu sehen und ihn möglicherweise den Behörden zur Bestrafung zu übergeben, wie ihn auch aus den Diensten des Unternehmens entlassen zu müssen. Diese harte Konsequenz dient aber dem Schutz des betroffenen Mitarbeiters und des Betriebes vor weiteren, gravierenden Straftaten. Die Behörden verfolgen dann lückenlos diesen kriminellen Akt. Das Unternehmen, und hier die oberste Chefetage, ist gut beraten, den Fall betriebsintern völlig aufzuklären und im ganzen Unternehmen zu kommunizieren, um Wachsamkeit für zukünftige Attacken zu wecken.
Werkspionage kann in jedem noch so kleinen Unternehmen passieren. Jetzt, in diesem Augenblick, morgen oder in naher Zukunft. Nur die Transparenz, die Offenheit, das gegenseitige Vertrauen durch alle Hierarchien hindurch ist ein wirklicher Schutz vor fremden Werkspionageattacken. Dieses Vertrauen ist jeder Führungskraft, jedem Manager, Unternehmer ans Herz gelegt, täglich aktiv den anvertrauten Menschen entgegenzubringen, ohne jedoch blind zu werden vor möglichen Attacken. Deshalb:
Vertrauen ist gut,….reicht aber ohne Kontrolle nicht aus .
gwm-coaching.de, 15. Juni 2016
Georg-W.Moeller