Die Faxen dick vom blöden Chef?
Diese Negativmotivation hat mich seinerzeit in die Selbstständigkeit getrieben. Das hört sich jetzt aber negativ an. Das stimmt nur in sofern, als ich die Nase von immer wiederkehrenden Fehlentscheidungen halbkompetenter Chefs genug hatte. Die Versuchung war groß, das nächste vermeintliche Ruhekissen für mich als leitenden Angestellten zu suchen. Ruhekissen, na ja, bedingt: Am 30igsten ist das Gehalt auf dem Konto, der Firmenwagen ist mit 1% vom Brutto finanziert, die Lebensversicherung wird unter Steueraspekten über den Betrieb finanziert. Die Kehrseite: Bauchweh, Schlafstörungen, Reibereien am Arbeitsplatz: nee danke! Dann lieber selbstständig!
Reicht die Frustsituation, um sich selbstständig zu machen?
Nein, wirklich nicht. Die Entscheidungsfindung, sich selbstständig zu machen, wird nur durch das geschilderte Szenario angetriggert. Zunächst fühlt sich der Gedanke an eine Selbstständigkeit an wie eine Flucht. Gedanken von Feigheit und Wegducken kommen auf. Vorsicht. Hier sollten Sie achtsam auf sich werden. Wie fühlt sich der Gedanke an, sein eigener Herr, seine eigene Frau zu werden? Sind Sie ein Kämpfertyp? Lassen Sie sich leicht vom Stuhle hauen, wenn Sie eine Durststrecke zu überwinden haben? Haben Sie sich überhaupt einmal die Frage gestellt, in welcher Branche Sie sich mit wie viel „know how“ auf den freien Markt wagen wollen? Beim Vertrieb wird immer die Frage gestellt, was ist ihr USP, Allein-stellungsmerkmal. Was macht Ihr Können, Ihre Person so unnachahmlich, so interessant, dass schon alleine Ihre soft- und hardfacts Sie befähigen, Ihr „eigenes Ding“ zu machen? Haben Sie Kapital, das Sie auch bereit sind, im wahrsten Sinne in die Wagnisschale zu werfen? Was ist, wenn Ihr Plan scheitert? Geht dann ein Traum in einem Fiasko auf, das existenzbedrohend ist? Wie ist Ihr Plan? Haben Sie je zuvor mit hartnäckigen Banken über Finanzierungen, z.B. beim Hausbau oder -kauf gesprochen? Kennen Sie deren „fiese Maschen“?
Nur nicht entmutigen lassen!
Diese vorangegangenen Fragen sollen Sie keinesfalls abschrecken. Sie dienen ausschließlich Ihrem Schutz und dem Ihrer nächsten Angehörigen. Der Alltag lehrt mich immer wieder, dass die „ausgebufftesten“ Führungskräfte tatsächlich keinen Schimmer haben, wie ernsthaft eine Verselbständigung vorab zu prüfen ist, um nicht volle Lotte auf die Nase zu fallen. Dh. nicht, dass diese Führungskräfte zu aller erst nicht geeignet wären, einen Betrieb selbstständig aufzubauen oder zu übernehmen. Es ist nur ein komplett anderes Spiel, ob Sie trotz Führungskräftestatus de facto für nichts verantwortlich sind, oder ob Sie tatsächlich mit Haut und Haaren, sprich Ihrem guten Namen, Ihrem eingesetzten Wagniskapital und einem Haufen Schulden an den Start gehen wollen. Sie brauchen einen Plan!
Der wasserdichte Plan
Setzen Sie sich auf den Hosen- oder Rockboden und machen Sie Ihre Hausaufgaben. Das klingt richtig arrogant, ist es aber nicht. Prüfen Sie zunächst sich selbst auf Ihre Eignung: beantworten Sie sich die oben stehenden Fragen und noch viele weitere für Ihre Fachexpertise relevanten Fragen. Frei nach dem Motto: kann ich, will ich, soll ich?? Was brauch ich? Wer steht mir mit Rat und Tat zur Seite? Wie ist mein Ziel für die nächsten 5, 10, 20 Jahre? Sprechen Sie intensiv mit Ihrer „besseren Hälfte“, sofern da eine ist. Denn die Startphase wird Ihre Familie genauso wie Sie selbst fordern. Wann soll Ihr Traum von Selbstständigkeit in Erfüllung gehen? Mogeln Sie sich bitte nicht in die eigene Tasche. Bleiben Sie realistisch. Durchforsten Sie sozialen Medien, kontaktieren Sie Ihre Berufsverbände, IHKs etc und erkundigen Sie sich nach übergabewilligen Senioren, die ihre Betriebe alters- oder krankheitsbedingt abgeben wollen. „Stecken Sie Ihre Nase in den Wind“ und prüfen Sie mögliche Angebote zur Übergabe einmal völlig neutral. Interessieren Sie sich am besten nicht wirklich für die zu prüfenden Unternehmen, nutzen aber diese Gespräche mit den Übergebern zu Trainingszwecken: wie läuft so eine Übernahme. Bitte nur zum Spiel. Lassen Sie Emotionen möglichst draußen. Verwerten Sie die Informationen, die Sie erhalten, natürlich diskret. Nutzen Sie aber diese Daten, um sich im Erstellen von einem für Sie in der Zukunft notwendigen Businessplan zu üben. Übrigens: der Businessplan ist (nicht nur) was für die Vorlage bei Banken. Er dient Ihnen als Richtschnur, an der Sie sich immer wieder orientieren können, ob aus Ihrem Traum tatsächlich ein Plan und aus dem Plan auch ein realistisches Projekt wird.
Keep cool und bedienen Sie sich zu prüfenden Profis
Alles ist schön und gut, was Sie da im Verborgenen machen. Die Gefahr, sich selbst zu unter- oder meist auch überschätzen, ist jedoch größer als Sie denken. Daher ist es gut, sich beizeiten eines neutralen Weg-Begleiters zu bedienen. Nennen wir ihn Coach oder Existenzgründungsberater. Das ist egal. Wichtig ist, dass dieser sorgfältig auszuwählende Mensch wohlwollend kritisch Ihr Treiben im Blick hat. Er soll motivieren, animieren, inspirieren, kontrollieren, korrigieren. Kurz: Er oder sie möge Sie vor Planungsschäden bewahren, die im Feuereifer auftreten könnten. Diese Spezies ist genau auf die eigenen Bedürfnisse hin „abzuklopfen“. Er oder sie sollte niemals als irgendein „Verkäufer“ auftreten. Betrachten Sie Ihre „graue Eminenz“ als Yogi Löw in der Phase der Verselbständigung. Das soll heißen: Sie können schon picobello Fußball spielen. Das muss man Ihnen nicht beibringen. Sie sind auch teamfähig. Deswegen sind Sie im Kader. Ihr Coach ist dazu da, Ihr Treiben auf dem Platz so zu steuern, dass Sie ein Tor nach dem anderen schießen und Sie „Unternehmer des Jahres“ werden.
Selbstständigkeit ist „geil“
Sind Sie erst einmal selbstständig und haben die ersten Flauten wie auch Stürme erfolgreich hinter sich gebracht und wissen, wie der betriebliche Hase läuft, dann sind Sie der Champion. Sie gewinnen mehr und mehr Freude am Experimentieren, Expandieren, Gestalten. Dann macht Verantwortung richtig Freude. Gönnen Sie sich diese Freude, -ein ganzes weiteres Berufsleben lang.
Viel Glück
Georg-W. Moeller, www.gwm-coaching.de , 17. Mai 2016